19 Feb Wohnbaukrise in Deutschland! Ab 2027 fehlen ca. 830.000 Wohnungen!
Der Mangel an Wohnungen betrifft nicht mehr nur Ballungszentren, sondern auch Ostdeutschland und Abwanderungsgebiete. Doch was sind die Ursachen dieser Krise und welche Lösungsansätze werden gefordert?
Kommen wir als erstes zu den Ursachen des Wohnungsmangels. Hier zählt auf jeden Fall der unerwartete Anstieg der Bevölkerung als eine der ersten Ursachen. Zwischen 1975 und 1985 war in Deutschland ein deutlicher Rückgang der Bevölkerung zu erkennen. Man ging davon aus, dass dieser Zustand weiterhin anhält und der öffentlich geförderte Wohnungsbau ging zurück. Doch seit 1985 bis heute steigen die Bevölkerungszahlen stetig an. Die Bautätigkeit wird inzwischen wieder mehr, aber der Wohnungsbau bleibt nach wie vor hinter der benötigten Größenordnung.
Die Binnenwanderung gilt als weitere Ursache der Wohnbaukrise. Aufgrund der schlechten Infrastruktur in weniger dicht besiedelten Gebieten kommt es immer häufiger zur Landflucht. Gerade junge Menschen zieht es in die Städte, sei es um zu arbeiten oder auf der Suche nach Bildung. Der Bedarf an kleinen, preisgünstigen Wohnungen ist durch den Wegfall der Wehrpflicht und die steigende Anzahl an Abiturabgängern enorm gestiegen.
Die Zahl der steigenden Singlehaushalte, ist als weitere Ursache des Wohnungsmangels zu sehen. In Deutschland gibt es eine hohe Anzahl von Ein- oder Zweipersonenhaushalten. Diese nehmen natürlich viel Platz weg. In Zukunft wird dies auch in Städten mit stagnierenden oder rückfälligen Bevölkerungszahlen zu einer zusätzlichen Wohnungsnachfrage führen.
Der Rückgang des Sozialwohnungsbestandes verschärft die Wohnkrise zusätzlich. So gab es 1987 noch 5,5 Millionen Sozialwohnungen, die sich bis heute auf etwa 1,5 Millionen reduziert haben. Jedes Jahr fallen ca. 100.000 Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung heraus, nachgebaut wird nur in unzureichendem Umfang. Diese Entwicklung trägt zur schwierigen Versorgungslage im preiswerten Marktsegment bei. Der Bedarf an Sozialwohnungen ist aktuell aufgrund niedriger Mietobergrenzen bei Bürgergeld-Empfängern, hohen Energiekosten und niedrigen Gehältern sehr hoch.
Wohninvestments verschärfen die Lage zusätzlich. Das Steuerreformgesetz von 1990 hob die Wohnungsgemeinnützigkeit auf. Dies führte zu einem mehr rendite- statt sozialorientierten Wohnungsbau. Durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank haben es sich Spekulanten und Investoren zur Aufgabe gemacht Bauland zu erwerben, um es später teurer wieder zu veräußern. Dadurch haben sich die Preise für Bauland und Wohneigentum in Städten etwa verdoppelt. Immobilienkonzerne profitieren von der aktuellen Wohnungsnot und verschlimmern die Situation dadurch, dass sie Wohnungen erwerben, um sie dann gewinnbringend zu verkaufen.
Zu all den Ursachen für die Wohnbaukrise kommen auch noch komplexe Baustandards hinzu. Die Vorschriften in Deutschland sind sehr streng und kompliziert, was zu höheren Baukosten führt. Aufwendige Richtlinien, Genehmigungsprozesse oder Auflagen der Bauaufsichtsbehörde, all das machen die Baudurchführungen zu einem komplizierten Prozess mit hohem Aufwand. Dies spiegelt sich in den Immobilen- und Mietpreisen wieder.
Die Zweckentfremdung von bestehendem Wohnraum spielt auch eine große Rolle. Als Beispiel sind hier Wohnungen, die an Feriengäste vermietet werden zu nennen, da diese Wohnungen nicht als dauerhafter Wohnraum zur Verfügung stehen.
Die Folgen der Wohnbaukrise sind Überbelebung bestehenden Wohnraums, steigende Mietpreise sowie Obdachlosenzahlen und soziale Segregation.
Was aber tun, um die Krise aufzuhalten?
Auf dem Wohnbautag 2022 verlangten Bau- und Immobilienverbände nach Lösungen seitens der Politik. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW erwartet von der neuen Bundesregierung „jetzt den Weg frei machen für klimaschonendes Bauen und Modernisieren, das für alle bezahlbar ist.“
Das Expertenbündnis meint, dass man nur durch ein Bündel von Maßnahmen bezahlbaren Wohnraum schaffen kann.
Folgendes wurde vorgeschlagen:
- Steuererleichterung für Neubau
Die Regierung will neue steuerliche Anreize für Bauherren schaffen. Bei Neubauten sollen zukünftig drei statt zwei Prozent der Kosten abgeschrieben werden können. Zusätzlich soll die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit weitere Steuervorteile und Investitionszusagen bringen.
- Förderung von energieeffizientem Bauen ausweiten
- Umwandlung von Nicht-Wohngebäuden
Um die Wohnungsnot einzudämmen raten Experten zum Umwidmen von Nicht-Wohngebäuden. Arge hat errechnet, dass so ca. 1,86 Millionen Wohnungen bis 2040 im innerstädtischen Bereich umgebaut werden könnten. Deshalb sollten bestehende Gebäude auf ihre Weiterverwendung und ihr bestehendes Potenzial hin überprüft werden.
- Mehr Möglichkeiten für Nachverdichtung
Auf Parkhäusern und Supermärkten könnten laut Studien über eine Million Wohnungen entstehen, die ein Vielfaches günstiger wären als im Neubau. Hierfür müssen auch keine weiteren Flächen versiegelt werden. Um dies durchzuführen, müssten steuerliche Anreize für die Umnutzung von Gewerbeimmobilien zu Wohnraum ausgebaut werden, fordert die Studie.
- Mehr Maßnahmen für Sozialwohnungen
Aktuell dürfte nur noch für jeden 20. Mieter eine Sozialwohnung zur Verfügung stehen. Doch mehr als die Hälfte aller Mieter hätten laut ihres Einkommens das Recht auf eine solche. Das Ziel ist nun, 100.000 neue Sozialwohnungen zu schaffen. Zusätzlich sollen noch weitere Mittel, wie Modernisierungen im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung, eine Verlängerung von Belegbindungen, der Ankauf von Belegbindungen und Anwartschaften sowie steuerliche Anreize eingesetzt werden.
- Neue Fachkräfte – Initiative
Aktuell fehlt es in Bauberufen an Fachexperten. Dies bremst die Schaffung von Neubauten enorm. Derzeit können tausende von Stellen nicht besetzt werden. Die Studie der Arge fordert daher eine langfristige Beschäftigungsinitiative im Baugewerbe und der Bauindustrie für den Ausbau der notwendigen Kapazitäten.
- Digitalisierung der Verwaltung
Um die schnelle Zuweisung bei Bauanträgen zu gewährleisten, braucht es eine rasche Digitalisierung der Bauämter sowie des gesamten Bauprozesses. Immobilienexperte Michael Voigtländer hält hierfür einen Stadtentwicklungsfonds des Bundes für sinnvoll.
Kombiniert man Ursachenbekämpfung mit den vorgeschlagenen Maßnahmen, könnte die Wohnbaukrise in den Griff zu bekommen sein. Doch dies sollte so schnell als möglich vonstattengehen, denn wie anfangs erwähnt, fehlen bis 2027 ca. 830.000 Wohnungen.
Autorin: Marlene Stossier für The Green Consultant GmbH